MEXIKO – Chepe
24. Juli 2020TAIWAN
12. August 2020
Neukaledonien
Frankreichs Außenposten in Melanesien
von neugierigen Riffhaien, harmlosen Giftschlangen und unerreichbaren Grillhühnern…..
Neukaledonien, am südlichen Wendekreis des Steinbocks im Westpazifik, gelegen, beeindruckte mich seit Kindertagen durch die Bilder seiner Araukarien Wälder und seiner blauen Lagunen. Schon als Kind las ich über die Entdeckungsreisen von James Cook und mir ging dieser Name nie mehr aus dem Kopf. Wohlwissend, dass ich in diesen entlegenen Teil der Welt wahrscheinlich nie kommen würde, blieb mir nur davon zu träumen.
Einige Jahrzehnte später, im Rahmen einer Reise nach Neuseeland, ergab sich dann doch die Möglichkeit, meinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Beim Anflug auf den Flughafen der Hauptstadt Noumea, mit Blick auf die türkisen Lagunen und die Riffe, spürte ich dieses aufgeregte Kribbeln in mir, das mich immer befällt, wenn ich mir einen Reisetraum endlich wahr machen kann.
Bei der Landung am Flughafen Tontouta sah man sofort, welche Bedeutung Neukaledonien für „La Grande Nation“ hat – der militärische Teil des Flughafens war voll mit Transall-Transportern und Hubschraubern. Neukaledonien besitzt große Vorkommen an seltenen Erden und Uran. Zudem sind die hier beheimateten „Kanaken“ (Anm.: keine rassistische Beleidigung – die Ureinwohner heißen wirklich so) nicht alle sehr Frankreich verbunden und verlangen die Unabhängigkeit. Dazu muss man sagen, das Neukaledonien als TOM (Territoire d‘outre mer) eine reine Kolonie ist und nicht die vollen Rechte der Übersee-Departements (DOM – Departement d’outre mer) wie La Reunion, Martinique, Guadeloupe oder Französisch-Guyana hat. Allerdings blieben bis jetzt sämtliche Volksabstimmungen zu einer politischen Unabhängigkeit weit unter den Erwartungen und so wird Neukaledonien sicher noch einige Zeit französisch bleiben.
Die Einreise war problemlos um nicht zu sagen „lässig“. Wir hatten es etwas eilig, da wir in die Hauptstadt mussten um dort, am Inlandsflughafen, unseren Weiterflug nach Ile des Pins, unserem Hauptziel der Reise, zu erreichen. Die Ile des Pins ist der Inbegriff des „Südseekitsch“ – blaue Lagunen, Araukarien Wälder, Kokospalmen und eines der besten Tauchgebiete der Welt. Bekannt sind seine Haie und die riesigen unbeschädigten Riffe mit Korallen jeglicher Art.
Nach einem kurzen Flug landeten wir spät Abend auf der Insel und im Hotel. Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, meldeten wir uns gleich in der Tauchbasis. Papierkram und Instruktionen und schon konnte es losgehen. Mit einem Boot und zwei weiteren Tauchern ging es an ein Außenriff. Zwei Minuten später schwebten wir in 15 m Tiefe über weißem Sand zwischen ein paar Felsen und waren im Nu von einem halben Duzend grauer Riffhaie umgeben, die uns neugierig beobachteten. Gelangweilt zogen auch einige Weißspitzen-Riffhaie am Boden entlang, dazwischen jede Menge Fische aller Art, die offensichtlich wussten, dass von den Haien im Moment keine Gefahr ausging. Wir verblieben ein wenig bei den grazilen Räubern, allerdings mussten wir uns wegen der relativ starken Strömung am Felsen festhalten, während die Haie das elegant durch ihren perfekten Körper ausglichen.
Nach einiger Zeit deutete uns der Guide an, dass er weiter wolle und so folgten wir ihm eine halbe Stunde lang durch den wohl schönsten Korallengarten, den wir bis dahin je gesehen hatte. Gigantische Tischkorallen, bunt leuchtende Schwämme und Weichkorallen, dazwischen Meeresschildkröten, Barrakudas, Muränen, etc., etc. Auch die Makrowelt hatte einiges zu bieten und so vergingen die vier Tage bei je drei Tauchgängen wie im Flug und hinterließen unauslöschliche Erinnerungen. Das Highlight nach all den Tauchgängen war aber immer die nachmittägliche Fahrt mit dem Zodiac zurück ins Hotel.
Dazu mussten wir vom Außenriff durch die unglaublich türkisen Lagunen fahren, hinter uns die Brandung vom Riff, unter uns das klare Wasser und dazu die Silhouette der Palmen und Araukarien an Land. Viel zu schnell verging die Zeit. Um den in den letzten vier Tagen bei vielen Tauchgängen angesammelten Stickstoff vorschriftsgemäß aus dem Blut zu bekommen, blieb der letzte Tag natürlich tauchfrei. Deshalb mieteten wir ein Auto und wollten eine kleine „Bergtour“ auf den höchsten Hügel der Ile des Pins unternehmen.
Diese kleine Wanderung gab uns einen wunderschönen Überblick über die ganze Insel. Fern am Horizont war die Hauptinsel „Grande Terre“ gut zu sehen, unser Ziel für den nächsten Tag.
Nach der bei diesen Temperaturen doch schweißtreibenden, kurzen Wanderung wollten wir noch ein Bad in eine der Buchten nehmen. Als wir dort ankamen und im Wasser schwammen, kamen einige Kinder zu uns. Auch mit meinem mangelhaften Schulfranzösisch verstand ich sofort, dass uns die Kinder etwas Besonderes zeigen wollten. Wir wurden zu einem Felsen begleitet und dort lag an der Ebbe/Flut-Linie eine wunderschöne Seeschlange, auch Plattschwanz genannt – eine der giftigsten, aber harmlosesten Tiere der Welt, die sich von Fischen ernährt. Vermutlich musste sich das Reptil etwas aufwärmen, da es ja die meiste Zeit unter Wasser verbringt.
Nach dem Abschied von der Ile des Pins ging der Flug wieder retour nach Noumea, wo wir noch zwei Tage verbrachten, bzw. mit einem Auto den südlichen Teil der Hauptinsel erkundeten. Während ganz im Süden die Bergbauindustrie schreckliche Narben in der Landschaft hinterlassen hat, zeigte sich der mittlere Teil der Insel doch mit dichtem Regenwald und optisch ansprechender.
Bei der Fahrt über Grande Terre fielen uns die überall präsenten Brathühnchen-Grill-Stationen auf, in denen sich die knusprigen Vögel schon drehten. Wir erfuhren, dass das hier Tradition hat, immer Samstags angeboten wird und so das Wochenende eingeläutet wird. Bei den ersten zwei Stationen waren wir noch zu früh und die Hühner rotierten noch um die Wette. So beschlossen wir, zuerst über das Gebirge, welches die Haupinsel in eine Nordost- und eine Südwestküste trennt, auf einer unbefestigten Straße zu überwinden(*20). Das dauerte allerdings wesentlich länger wie geplant. Als wir dann endlich im ersten Dorf ankamen, wurden die Grillstationen schon wieder abgebaut und lachend teilte man uns mit, wer nicht rechtzeitig da ist, der bleibt hungrig. Auch im nächsten Dorf ging es uns nicht besser.
Kleine Dörfer, deren Friedhöfe zu Allerheiligen besonders bunt waren, mit liebenswerten Einheimischen, mehr Pisten als geteerte Straßen und dazu der gemütliche „laissez faire“ ließen diese schöne Woche in Melanesien zu einer echten Traumreise werden. Auch wenn die französischen Pazifikinseln im benachbarten Polynesien wesentlich bekannter sind, so muss Neukaledonien keinen Vergleich mit Tahiti scheuen.
Euer Gerhard Rieder