PANAMA
26. Oktober 2020KASACHSTAN
13. Dezember 2020
KAP VERDE
Fogo und Santo Antao - Cabo Verdes rauer Charme
Wie ein umgelegtes V präsentieren sich die ca. 15 Inseln der Kapverden vor der Westspitze Afrika, wobei die ältesten Inseln am östlichsten und flachsten sind, während die neueren, westlich gelegenen Inseln noch sehr gebirgig und steil sind. Die Inseln der nördlichen Kette bilden die sogenannten „Inseln über dem Wind“, die südliche Inselkette nennt man die Inseln „unter dem Wind“. Dies deshalb, weil die nördlicheren Inseln den von den Wendekreisen her blasenden Nord-Ost-Passatwind zuerst abbekommen. Die bekanntesten Inseln Sal und Boa Vista sind die flachsten und schönsten Sandinseln mit den breitesten Stränden und daher bei Badegästen aus Europa sehr beliebt. Unbekannter hingegen sind die anderen Inseln, wie die Hauptinsel Santiago oder das kulturelle Zentrum des Landes, Sao Vicente.
Mitte des 15. Jhdt. war es nur eine Frage der Zeit bis die portugiesischen Seefahrer, auf ihrem langen Weg rund um Afrika um zu den Schätzen Indiens zu gelangen, auf das damals unbewohnte Archipel trafen und es nach der westlichsten Spitze Afrikas „das grüne Kap“ nannten. Bald wurden die Insel von Europäern und Afrikanern aus allen Teilen des Kontinents besiedelt. Die Eilande dienten vorerst als Umschlagplatz für den grausamen Handel mit Sklaven zwischen Afrika, Brasilien und der Karibik. Dadurch entwickelte sich eine komplett eigenständige kreolische Kultur mit einer Sprache, die aus Portugiesisch und dem Einfluss mehrerer afrikanischer Sprachen besteht. Kurz nach dem Sturz der Militärregierung in Portugal erklärten sich die Kapverden 1975 als eigenständige Republik, die sie bis heute ist.
Heute sind neben der Fischerei, der Tourismus die Haupteinnahmequelle der Inseln. Als atlantische Zwischenstation für Flugzeuge und Schiffe haben sie längst ausgedient. Der größte Teil der Kapverdianer lebt allerdings nicht auf den Inseln, sondern verstreut im Rest der Welt, vorwiegend in den USA, Kanada und Portugal. Aus dieser Diaspora entwickelte sich auch die spezielle Sehnsucht der Ausgewanderten nach ihrer Heimat, die in der eigenen Musik, der Morna diese „Saudade“ zum Ausdruck bringt. Die bekannteste Botschafterin der kapverdischen Musik ist die 2011 verstorbene Künstlerin Cesaria Evora. Nach einem Zwischenstopp in Santiago ist unser erstes Ziel aber der höchste Berg des Landes auf der gleichnamigen Insel Fogo. Dieser 2.829 m hohe Schildvulkan setzt sich unter Wasser nochmals über
5.000 m in die Tiefe fort. Da es nur wenige Flüge pro Woche nach Fogo gibt, die Flugzeuge recht klein sind und es einen gedruckten und einen realen Flugplan gibt, macht es sich bezahlt, dass wir schon sehr früh reserviert haben und auch immer Zeitpolster einkalkulieren.
Auf Fogos sehr kleinem Flugplatz in Sao Filipe, der Hauptsiedlung der Insel, werden wir schon von unserem Guide abgeholt. Er chauffiert uns zuerst noch rund um die Insel, bevor wir die Serpentinen in den riesigen alten Vulkankrater, der Cha das Caldeiras, hinauf fahren, aus der sich der Pico de Fogo als neuerer Vulkan erhebt. Wir beziehen ein einfaches, aber nettes Gästehaus, das von einem ehemaligen Bergführer geleitet wird, der nach einem schweren Unfall seinen Unterhalt als Führer nicht mehr verdienen kann. Wir genießen den Blick auf den Fogo, machen
einen Spaziergang durch die Siedlungen Portela bis in die zweite Siedlung Bangaeira. Außer ein paar Häusern, dem ein oder anderen kleinen Laden, leben die Menschen aber sehr, sehr einfach, scheinen aber doch zufrieden zu sein. Noch ahnen wir nicht, dass schon wenige Wochen nach unserer Reise hier nichts mehr so sein wird wie zuvor. Ein verheerender Ausbruch zerstört eines der zwei Dörfer im Krater komplett, nämlich jenes, in dem wir übernachten. Wir genießen den Abend, an dem uns auch noch unser Bergführer für den nächsten Tag kurz besucht um mit uns ein paar Details zu besprechen. Früh gehen wir zu Bett und werden kurz nach Mitternacht geweckt. Nach einem hastigen Frühstück, schnappen wir die schon am Vortag gepackten Sachen und stolpern im Dunkeln aus dem Zimmer in den Innenhof, wo unser Guide wartet.
Im Dunkeln marschieren wir durch den Ort, die Stirnlampen leuchten uns den Weg, der im schwarzen Lavasand aber kaum zu sehen ist. Mehr wie eine Stunde laufen wir nur leicht ansteigend vom Ort in Richtung Vulkan, bis es dann irgendwann steil, sehr steil weitergeht. Zwar ist ein erkennbarer Pfad ausgetreten, aber der Lavasand macht die Fortbewegung nicht wirklich einfach, da man immer zwei Schritte tätigt um einen Schritt weiter zu kommen. Zusätzlich ist die Angelegenheit noch äußerst staubig. Aber das haben wir schon bei einigen anderen Vulkanen erlebt und wir sind darauf eingestellt. Immer im selben Trott geht es steil bergauf, jeder in seine Gedanken versunken. Langsam wird es dämmerig und wir bekommen einen sensationellen Blick über die nun golden leuchtenden Wolken über dem Atlantik. Pünktlich zum Sonnenaufgang sind wir am Kraterrand und genießen es einfach nur hier zu sein. Alle Müdigkeit und Anstrengungen sind ob dieses Anblicks vergessen. Nach einer gemütlichen Rast nehmen wir den direkten Weg durch den losen Lavasand und sind dadurch sehr schnell wieder im Tal und beginnen den Rückweg nach Portela, wo uns unser Wirt ein fantastisches Mittagessen auftischt. Die Zeit bis unser Chauffeur auftaucht verbringen wir gemütlich bei einem Glas roten Fogo-Weins und einer netten Plauderei mit unseren Gastgebern und unserem Guide.
Am Abend, in Sao Filipe angekommen, beziehen wir unsere gebuchte Pension, verbringen noch einen ganzen Tag in der Inselhauptstadt, bevor es via Santiago auf die Insel Sao Vicente geht, dem kulturellen Zentrum der Kapverden. Der Hauptort Mindelo ist nicht nur bekannt für seine vielen Bars und deren Musikszene, sondern auch der Ausgangspunkt zu unserem nächsten Ziel – Santo Antao, der wildesten und zerklüftetsten Insel, die aber keinen eigenen Flughafen hat und nur per Fähre erreichbar ist. Nach Besuchen einiger netter Lokale mit guter Musik und einer Inselrundfahrt am darauf folgenden Tag sind wir pünktlich am Hafen und warten auf das Ablegen der Fähre für die ca. 2-stündige Überfahrt nach Porto Novo, dem größten Ort auf Santo Antao. Da die Strömung zwischen Sao Vicente und Santo Antao sehr stark ist, sind die Fähren groß und mächtig – kleinere Schiffe hätten hier sicher ihre Probleme.
In Porto Novo angekommen, suchen wir uns zuerst eine Unterkunft und dann ein gutes Mittagessen. Beides ist schnell organisiert. Durch das Gespräch mit unserem Wirt ist auch sofort eine Kontaktperson für unsere geplanten Ausflüge gefunden. Mit einem alten, verbeulten SUV mit kaputter Scheibe, schaut das Gefährt auch nicht schlechter aus, als die Autos die sonst hier rumfahren. Am nächsten Morgen werden wir von Joao, unserem Fahrer abgeholt, der sich als Volltreffer entpuppt. Ein umsichtiger Guide, der eine kleine Tourismusagentur betreibt und mehrere Autos im Dienst hat. Er möchte uns heute den Nordosten der Insel zeigen. Dazu müssen wir über den Hauptgebirgskamm, der sich fast senkrecht vom Meer empor streckt. Sind die Hauptstraßen in einem sehr guten Zustand, was durch die vielen Sponsorenschilder der EU am Straßenrand nachvollziehbar ist, ist uns der
Zustand des Autos auf den Nebenstraßen sofort klar. Afrikanische Pisten! Ohne SUV der besten Marken läuft hier nichts. Dazu benötigt es aber auch einer exzellenten Fahrtechnik, die Joao auch hat. Als wir an der Küste im Nordosten ankommen, kommen wir aus dem Staunen nicht mehr raus. Die Orte picken in den fast senkrechten Gebirgswänden, darunter und darüber steile Feldterrassen, auf denen Mais und sonstiges angebaut wird. Diese Mühe verlangt den Einwohnern wohl wirklich alles ab. Unser Ziel ist der Ort Fontainhas, wo es heiße Quellen geben soll. Mehr als das warme Wasser fasziniert uns aber die Straße, die dorthin führt. Einfach nur gewaltig! Nach einer Besichtigung des Ortes und einer Fahrt entlang der Küste, erreichen wir am Nachmittag wieder unsere Pension und verbringen den warmen Abend gemütlich in einer kleinen Taverne am Strand mit Livemusik. Für den nächsten Tag werden wir wieder von Joao pünktlich abgeholt.
Er soll uns ganz in den Westen der Insel, nach Tarrafal bringen. Als er uns eine Fahrtzeit von ca. 4 h angibt, können wir das ob der relativ kurzen Distanz kaum glauben. Vor allem, weil wir auf einer bestens ausgebauten Straße den Berg hinauf fahren. Oben angekommen, biegt Joao links ab und dann ist es vorbei mit Geschwindigkeit. Was sich hier als Straße anbietet, entspricht Schritttempo, teilweise im 1. Gang. Über eine weite Hochebene, auf über 1.000 Meter Seehöhe rumpeln wir dahin. Das Fenster zu öffnen ist nicht ideal, da der rote Staub sich sofort überall anlegt und Augen, Ohren und Nase verstopft. Vollkommen durchgerüttelt bleibt Joao über einer steilen Felskante stehen und bietet uns an, zu Fuß in ca. eineinhalb Stunden nach Taraffal über einen steilen Gebirgsweg zu gehen, während er weiterfährt und für uns das Gepäck in unserer Unterkunft abgeben wird. Hier fällt die Hochebene in vielen
Schluchten steil ins Meer ab. Wir machen uns die Abholzeit in drei Tagen aus, bezahlen und verabschieden uns vorläufig. Nun geht es zu Fuß über einen kleinen Serpentinenweg hinunter bis ans Meer. Außer dem Boot oder diesem Weg gab es bis vor ein paar Jahren keine Verbindung zum Rest der Insel. Es gibt zwar Pläne Tarrafal mit dem Rest der Insel über eine an der Küste entlang laufende Straße über die erkalteten Lavafelder zu führen, aber das scheitert bisher an vielen Gründen. Nach einer schönen Bergabwanderung, auf der wir vereinzelte, sehr einfache Bauernhöfe passieren, kommen wir endlich in den kleinen Ort. Hier scheint die Zeit still zu stehen. Keine befestigten Straßen, kein erkennbarer Dorfmittelpunkt. Nach ein paar Minuten stehen wir vor unserer Unterkunft, die von der Amerikanerin Susi und ihrem deutschen Lebensgefährten Frank geführt wird.
Unser Gepäck ist wie vereinbart vor Ort und auch die sehr geschmackvolle Unterkunft ist bezugsfertig. Nachdem wir Frank noch bitten, ein etwas doch zu groß geratenes Exemplar einer lokalen Spinne auf dem Sicherungskästchen für uns zu beseitigen, machen wir es uns im Zimmer gemütlich. Später erfahren wir, dass es die Spinne leider nicht überlebt hat. Frank wollte diese neben der Gartenmauer aussetzen, allerdings waren die Hühner schneller bei der Spinne, wie die Spinne zwischen der Mauer. Wir beschließen den hier im Ort ansässigen Tauchshop Betreiber, einen Franzosen, zu suchen. Wir erkundigen uns nach David Mückli, einem ehemaligen Kampftaucher der französischen Marine und später Industrietaucher für französische Erdölfirmen vor der Küste Angolas. David wirkt überraschend jung für seine Erfahrung und hat sich hier, nachdem er zu alt für die Marine war bzw. das extreme Risiko
eines Industrietauchers nicht mehr eingehen wollte, mit seiner jungen Frau und seinen zwei kleinen Kindern ein nettes Häuschen erbaut und bietet an diesem abgelegenen Ort Tauchausflüge an. Wir hatten schon vorab Kontakt via Internet, darum ist alles schon für uns parat. Anzüge und Equipment probieren und drei wunderschönen Tauchgängen, mit Haien, Schildkröten und einer fantastischen Unterwasser-Topographie sind garantiert. Da David hier keine Möglichkeit hat im Notfall zu einer Deko-Kammer zu kommen, gibt es immer nur einen Tauchgang pro Tag, damit der Stickstoff genügend Zeit hat aus dem Blut zu entweichen. Es scheint hier im ganzen Ort nicht einmal eine ordentliche Sanitätsstation zu geben. David kümmert sich auch gemeinsam mit Frank und Susi um die umweltfreundliche Entwicklung des Ortes, für das der lokalen Bevölkerung noch jegliches Verständnis fehlt.
Aber immerhin werden die Schildkröteneier am Strand nun von den Kindern bewacht und der Müll nicht mehr achtlos weggeworfen. Es geht nur über die junge Generation, bei den Erwachsenen ist die Mühe meist vergeblich. Zwischen den Tauchgängen bleibt in diesen Tagen auch genügend Zeit um ausgedehnte Wanderungen zu unternehmen. Eine Wanderung führt uns entlang der Steilküste bis in den 14 km entfernten Nachbarort, der ebenfalls nur per Boot zu erreichen ist. Ein andermal „suchen“ wir einen ominösen Wasserfall in einem der steilen, vom Hochplateau abfallenden Schluchten, der hier sein soll. Aber irgendwie sagt jeder was anderes und zeigt irgendwelche Photos auf denen aber kein Gewässer zu sehen wäre, welches den Namen Wasserfall verdienen würde. Wir beschließen ihn nun definitiv zu finden und gehen frühmorgens an den kleinen, liebevoll in den Hang gebauten Feldern und Kanälen zur Bewässerung in die Schlucht.
Nach zwei Stunden sind wir in einer wilden Schlucht und niemand ist mehr zu sehen, bis wir dann auf vier Männer stoßen, die am Bewässerungskanal arbeiten. Wir fragen mit Händen und Füssen und sie deuten uns, der Schlucht noch weiter zu folgen – woanders können wir ohnehin nicht hin. Irgendwann hören wir dann ein leichtes Rauschen und stehen dann vor einem wirklichen Wasserfall. Etwas das diesen Namen auch verdient und definitiv nicht das ist, was wir auf diversen Photos vorab gesehen haben. Wir baden sogar im kleinen Tümpel, füllen unsere Wasserflaschen, denn nun heißt es ja den ganzen Weg wieder zurück zu gehen. Ein paar hundert Höhenmeter und etliche Kilometer später sind wir wieder komplett verdreckt im Ort.
Viel zu schnell vergehen die drei Tage in Tarrafal und es heißt Abschied nehmen. Der Ort ist uns lieb geworden. Joao holt uns, wie abgemacht am Vormittag ab und will uns nun noch einen abgelegenen Teil der Insel zeigen, aber so, dass wir pünktlich am Abend noch die Fähre nach Mindelo erreichen. Dieser „kleine“ Umweg über die Nordwestküste der Insel, entpuppt sich zu einer abenteuerlichen Fahrt über extreme Dreckpisten, entlang steiler Berghänge, die uns des Öfteren den Atem stocken lassen. Nach einigen Stunden und unvergesslichen Augenblicken erreichen wir pünktlich den Fährhafen in Porto Novo. Nun heißt es Abschied nehmen von dieser wunderschönen rauen Insel mit seinen liebenswerten Menschen, an die wir noch oft zurückdenken werden.
Euer Gerhard Rieder