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18. Februar 2021
Chile - Kap Horn
von tieffliegenden Riesenvögeln und Rot-Weiß-Rot am Ende der Welt
Nach einer wunderschönen Wanderwoche in den patagonischen Bergen Argentiniens, landet unser Flugzeug pünktlich in Ushuaia, der offiziell südlichsten Stadt der Welt auf Feuerland. Das mit der südlichsten Stadt der Welt ist halt so eine Sache. Wenn man über den Beaglekanal hinüberschaut, sieht man auf der anderen Seite, also südlicher, eindeutig eine Stadt – das zu Chile gehörende Puerto Williams. Da aber Puerto Williams ein chilenischer Militärstützpunkt ist und somit keine „Stadt“, bleibt dieser Titel bei Ushuaia, gemäß dem lokalen Werbemotto – el fin del mundo! (Das Ende der Welt).
In Ushuaia startet unsere Schiffsreise, welches uns, vorbei an der Insel Navarino, hinaus auf den Ozean bringt, an einer Kette von Inseln vorbei, bis an deren Ende die Insel Kap Horn, als offiziell südlichster Punkt Südamerikas, liegt. Nach dem Ablegen in Ushuai überqueren wir den Beagel Kanal, somit
auch die Grenze zu Chile und entlang der Insel Navarino geht es zu unserem ersten Stopp in die Wulaia Bucht. Diese Bucht diente als Landeplatz für Walfänger im 19. Jhdt., war aber auch eine Station auf den Fahrten des britischen Kapitäns Sir Robert Fitz-Roy, der im Auftrag der Royal Navy für das Empire die genaue Lage des Kap Horn vermessen sollte. Auf dieser ersten Fahrt entführte er aus der Wulaia Bucht einige indigene Jugendliche und nahm sie mit zurück nach Großbritannien. Diese Entführung sollte dazu dienen, der Welt zu beweisen, dass auch „Wilde“ mit guter Erziehung zu ordentlichen Christen herangezogen werden können und die Überlegenheit der britischen Lebensweise demonstrieren. Zwei Jahre später sollten die drei „Feuerländer“, in der Zwischenzeit getauft und zu Christen „umfunktioniert“, bei einer neuerlichen Reise von Fitz-Roy zurück nach Wulaia gebracht werden um dort
als Missionare zu arbeiten. Zur Zerstreuung während der monatelangen Seereise wählte Fitz-Roy einen jungen Theologen und Naturwissenschaftler aus, der ihn begleiten sollte – Charles Darwin. Jener Mann, der später aufgrund seiner Studien bei dieser Reise und mit den Erkenntnissen und der Inspiration des auf Borneo arbeitenden Naturforschers Alfred Russel Wallace, die damals extrem revolutionäre Idee der Evolutionstheorie veröffentlichen sollte.
Am späten Vormittag erreichen wir, bei stürmischer See, endlich Kap Horn. An eine Anlandung ist bei dieser Dünung derzeit gar nicht zu denken. Trotzdem müssen sich alle Passagiere bereithalten, sollte es doch noch klappen. Kap Horn besitzt keinen Hafen und die Ausschiffung ist nur mit Beibooten möglich. Ständig werden wir von der Brücke über Lautsprecher mit Informationen versorgt.
Die verheißen im Moment aber nichts Gutes, da die Dünung viel zu hoch und das Wetter viel zu schlecht ist. Derzeit erteilt die chilenische Kriegsmarine, die die Insel verwaltet, keine Erlaubnis für eine Anlandung. Da auf Kap Horn allerdings schon seit drei Wochen kein Schiff mehr anlanden konnte, die Station aber dringend Lebensmittel, Post und sonstige Sachen benötigt, die wir an Bord haben, werden wir darüber informiert, dass man noch ca. eine halbe Stunde zuwarten möchte. In dieser halben Stunde erleben wir jedes nur erdenkliche Wetter, das man sich nur vorstellen kann. Vom Südfrühlings-Schneesturm bis zu kurzen Sonnenfenstern, prasselndem Regen und dem ständig starken Wind, für den die Stürme und Strömungen der „roaring forties“ und der „rolling fifties“, wie diese Breitengrade genannt werden, so bekannt sind.
Während unserer Wartezeit und der geringen Hoffnung, dass es vielleicht doch noch mit der Anlandung klappen könnte, beobachten wir die vielen Vögel, die trotz heftigem Sturm ihre Kreise dicht über dem Wasser ziehen. Vor allem die mächtigen und eleganten Schwarzbrauenalbatrosse faszinieren uns mit ihren Flugkünsten. Akkurat fliegen sie wenige Zentimeter über dem Wasser die Wellen rauf und runter, ohne dabei nur einmal die Wasseroberfläche zu berühren. Aber auch große Möwen und Sturmtaucher scheinen das Spiel mit den Elementen zu lieben und begeistern uns. Plötzlich die Durchsage von der Brücke, dass sich wider Erwarten ein kleines Loch in den Wolken ankündigt, die eine kurze Anlandung möglich machen sollte und die Ausschiffung in Kürze beginnen kann.
Jetzt spüren wir die Nervosität, so sehr haben wir uns die Landung auf Kap Horn gewünscht, die Hoffnung darauf eigentlich schon begraben und nun soll es vielleicht doch klappen. Mir schießen all die Abenteuergeschichten der Walfänger, Segler und Entdecker durch den Kopf, von denen es nicht allen gelang das Kap zu umrunden. Ca. 800 Schiffe mit 10.000 Menschen sollen rund um das Kap vom Meer verschlungen worden sein. An diese Opfer erinnert heute noch ein Mahnmal auf der Insel. Nun geht alles sehr schnell und schon sitzen wir im Tenderboot, welches uns zur Anlegestelle bringt, die von drei Matrosen gesichert wird. Auf der kurzen Fahrt wirft es uns ganz schon hin und her, aber bald ist das Ufer erreicht. Über viele Stufen führt eine steile Holztreppe vom Wasser auf ein Hochplateau wo sich die Station der chilenischen Marine, bestehend aus einer Radar- und Wetterstation befindet.
Dazu noch eine kleine Kapelle und einige Geräteschuppen. Nach ein paar Stufen, auf einer kleinen Holzterrasse, werden alle Angelandeten persönlich mit Handschlag vom diensthabenden Offizier der chilenischen Marine begrüßt. Höflich erkundigt er sich woher wir kommen und als er hört, dass wir Österreicher sind, teilt er uns mit, dass sich eine Landsfrau von uns, die seit drei Wochen wetterbedingt hier nicht weg konnte sehr freuen wird, mit uns auf das Boot zu kommen. Zudem endet nach zwei Jahren seine Dienstzeit in einigen Wochen hier und seine Familie freut sich auf den Jahreswechsel zuhause in Santiago und ganz besonders schon auf die Übertragung des Neujahrskonzerts aus Wien. Na, wenn das kein Willkommen ist! Kurz darauf treffen wir die gestrandete Landsfrau, die im Rahmen eines Kunstprojekts hierher verschlagen wurde. Geplant waren vier Tage, geworden sind es für die
Wienerin nun drei Wochen nun drei Wochen. Sie berichtet uns heilfroh zu sein hier weg zu kommen. Am schlimmsten meint sie, ist der extreme und nie abflauende Wind, der mit einer höllischen Lautstärke schon ein normales Gespräch zu einem Schreiduell verwandelt. Zuerst besuchen wir die Station der chilenischen Offiziersfamilie, wo uns die Gattin und die zwei Söhne des Offiziers herzlich willkommen heißen. Die Ehefrau beantwortet geduldig alle Fragen der Besucher, die Kinder verkaufen ein paar selbst bemalte Steine von Kap Horn zur Aufbesserung des Taschengeldes. Ausgeben werden sie es ohnehin erst nach ihrem Aufenthalt auf der Insel können, aber sicher ist es für die Buben eine nette Abwechslung zum Alltag und dem home-schooling auf der Insel. Dienst auf Kap Horn ist übrigens eine Ehre für einen chilenischen Offizier. Die Bewerbungsliste ist lange. Eine tadellose Laufbahn, geregeltes und stabiles Familienleben sind Voraussetzung.
Beeindruckend sind die vielen Schiffsflaggen von Seglern, die hier angelandet sind und ihre Fahnen rund um den Leuchtturm drapiert haben. Für einen reisesüchtigen wie mich, der perfekte Ort der Sehnsucht! Nun aber noch über den langen Holzsteg zum Kap-Horn-Denkmal, das einen Albatros symbolisiert und an all die Schiffsopfer des Mythos Kap Horn erinnert. Lautes Hupen der Schiffssirene und winkende Offiziere deuten uns nachdrücklich an, dass unser Aufenthalt auch schon wieder vorbei ist. Bis alle Passagiere an Bord sind, dauert es und der Wetterbericht drängt zur Eile. Später lassen wir, als unser Schiff, die „M/S Australis“, über eine äußerst ruppige See in der Drake-Passage wieder in ruhigere Gewässer zwischen den Inseln Feuerlands gelangt, bei einem guten Glas und einem Blick aus den großen Fenstern den kurzen Aufenthalt auf einem der bekanntesten Plätze der Welt Revue passieren. Wir freuen uns jetzt schon auf die Gletscher- und Fjordwelt der nächsten zwei Tage bis wir unser Ziel Punta Arenas in der Magellanstraße erreichen.
Ach ja – Fitz-Roy (nach seiner Weltumseglung mit Charles Darwin und einigen Jahren als britischer Generalgouverneur in Neuseeland, setzte er seinem depressiven Leben selbst ein Ende. Seinen Namen trägt heute einer der majestätischen Gipfel Patagoniens und der seines Schiffes, der HMS Beagle, schmückt den schmalen Verbindungskanal zwischen Atlantik und Pazifik, südlich der Magellanstraße. Der Versuch übrigens, die Einheimischen als christliche Missionare wieder zurück nach Wulaia zu bringen, misslang komplett. Nach nur kurzer Zeit kam es zu Mord und Totschlag, zudem tauschten die „Bekehrten“ die feine britische Kleidung und ihren Glauben schnell wieder gegen die natürliche Nacktheit und den Animismus ihres Volkes ein.
Euer Gehard Rieder
Australis Expeditionen
Australis ist als Anbieter von Expeditionskreuzfahrten durch die Fjorde Patagoniens einzigartig: Seit 1990 durchkreuzen die Schiffe von Australis die Gewässer zwischen Beagle-Kanal, Magellanstraße und Kap Horn. Die chilenische Reederei konnte im Laufe der Jahre viel Erfahrung und Wissen sowie eine tiefe Verbundenheit zur einzigartigen Region an der Südspitze Südamerikas aufbauen. Unsere Schiffsreisen durch die Fjorde des chilenischen und argentinischen Patagoniens entführen unsere Passagiere – stets in Begleitung von einem Team erfahrener Expeditionsleiter – in ansonsten unerreichbare Teile einer der schönsten und zugleich ab gelegensten Regionen der Welt. Ein starkes Engagement für die Erhaltung der Umwelt und die Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Gemeinschaft haben Australis den Zugang zu Nationalparks und geschützten Gebieten der Kanäle und Wasserstraßen in dieser außergewöhnlichen Region, eröffnet.