TANZANIA
25. Oktober 2020KAP VERDE
9. Dezember 2020
PANAMA
von bunten Autobussen und großen Schiffen
Die schmalste Stelle des amerikanischen Doppelkontinents soll diesmal unser Ziel sein. Meine frühesten Schultage kommen mir ins Gedächtnis, als wir über den „Panamakanal“ lernten, meine späteren Schultage ebenfalls, als die Zeitungen voll waren mit Geschichten über den Drogenumschlagplatz Panama und auch der Verdacht, dass es eines der Geldwäschezentren der Welt sein soll. Fasziniert haben mich auch die viele Naturberichte über dieses Land, das sich die Agenden des Naturschutzes besonders hoch gesetzt hat. Nach unserem Zwischenstopp in Kanada fällt uns schon beim Anflug auf, dass wir schon weit draußen über der Karibik in den Sinkflug gehen, obwohl wir ja auf die Pazifikseite müssen. Bald kommen die Küste und die nebelverhangenen Gebirgswälder in den Blick, um aber bald wieder von der nächsten Küste am Pazifik abgelöst zu werden. Eine Schleife noch und da liegt sie unter uns – Panama City. Ein Meer aus Wolkenkratzern und nördlich der Stadt die Einfahrt in den berühmten Kanal.
Im Moment versetzt mich aber die unglaubliche Anzahl von Wolken-
kratzer in Erstaunen, eine Menge wie ich sie an der amerikanischen Westküste noch nie gesehen habe und mich eher an Hongkong oder Manhattan erinnert. Weniger der offensichtliche Reichtum an Banken, Versicherungen, Hotels und Wohngiganten verwundert mich, viel mehr die Tatsache, dass sich Panama mitten im Reibungsbereich von nicht weniger wie fünf tektonischen Platten befindet. Einen Tag später erklärt mir der Besitzer einer kleinen Pension, dass alle Geologen schon lange einen Baustopp für diese Hochhäuser fordern. Die Frage drängt sich da auf, wann ein großes Erdbeben diese Stadt treffen wird, hoffentlich nicht, wenn wir da sind.
Nach einer Nacht in Panama City und einem Streifzug durch die wunderschöne Altstadt von Panama City, lassen wir uns von der modernen U-Bahn zum großen Busbahnhof Albrook bringen. Wer Lateinamerika kennt, der kennt diese Lebensadern des Kontinents. Die Busse sind nach wie vor die wichtigste Verbindung in diesen relativ armen Ländern, in denen Schienennetze selten und Flüge für die Landbevölkerung zu teuer sind. Zudem sind diese Busse, auch wenn sie nicht immer am „europäisch technischen Niveau“ sind, relativ sicher, sehr billig und vor allem zuverlässig. Alle paar Minuten verbindet ein Bus die Hauptstadt mit dem karibischen Pendant Colon, dem atlantischen Zugang zum Kanal. Wir fahren aber nur bis Sabanitas und wechseln dort auf einen kleineren Bus, der uns nach Portobello bringen soll - ein kleines Kolonialstädtchen an der Karibikküste.
In diesem Bus sind wir dann endgültig in Panama angekommen. Laute Musik, offene Bustüren, lebende Hühner, Schulkinder in Uniform, robuste Marktfrauen und überall alles vollgestopft mit Säcken, Kartons und sonstigem Kram.
Ein nettes, sauberes Guest-house ist schnell gefunden, das spanische Fort schnell besichtigt und der Rest des Tages wird mit „liming“ verbracht – der karibischen Art des „Abhängens“ oder auch einfach dem „Nichts tun“. Dazu setzt man sich an eine Bar mit gutem Überblick, trinkt ein oder mehrere Bierchen und beobachtet stundenlang einfach alles, was rund um einen passiert. Das ist echt entspannend und sehr empfehlenswert, besonders bei diesen Temperaturen. Unglaublich wie viele Menschen, die man vorher noch nie gesehen hat, einen grüßen, ein paar Worte wechseln oder einfach ein nettes Lächeln für einen übrig haben.
Wieder retour in Panama City werden wir in der Früh im Hotel abgeholt und über einen langen Damm zur Isla Naos gefahren, von wo die wenigen Ausflüge per Boot in den Kanal ablegen. Aufgrund des immensen Schiffsverkehrs durch den Panamakanal, der die Seereise rund um Kap Horn erspart und die Fahrt um bis zu zwei Wochen verkürzt, werden nur wenige Fahrten für Touristen pro Woche gestattet. Unser ursprüngliches Ziel bis nach Colon mit dem Boot zu fahren ist während unseres Aufenthalts leider nicht möglich, aber durch die ersten zwei Schleusen bis zum Gatun See nach Gamboa konnten wir noch buchen. Damit fährt man durch jene Schleusen mit denen man den ganzen „Aufstieg von ca. 26 m“ macht um die Höhe zu erreichen über die die Wasserstraße im Inland führt, bevor die karibischen Schleusen die Schiffe wieder auf Meereshöhe bringen. An der schmalsten Stelle der Landbrücke, welche die Kontinente verbindet, beschlossen die Amerikaner am Beginn des 20. Jhdt. eine Wasserstraße zwischen Atlantik und Pazifik zu graben.
Hier in Panama und weiter nördlich in Nicaragua waren die geographischen Voraussetzungen am besten. Zuvor schon hatte es der Franzose Ferdinand de Lesseps, der Erbauer des Suezkanals, versucht. Er wollte die Landenge ohne Schleusen durchstechen, was aber misslang und zudem tausende von Menschenleben forderte. Die Franzosen unterschätzten die unterschiedliche Wasserhöhe durch die Regenzeiten, ebenso die Gefahr durch Malaria und Gelbfieber. Der Plan selber, eine Verbindung vom Atlantik in den Pazifik zu errichten, ist schon viel älter. Schon Kaiser Karl V. beauftragte spanische Kolonisatoren die Machbarkeit zu überprüfen. Auch die Engländer machten sich die Landenge zum Vorteil und überfielen dort die spanischen Silbertransporte auf dem Weg von Südamerika und den Philippinen an die Karibikküste.
Nachdem die Franzosen gescheitert waren, konnte das amerikanische Militär den Kanalbau neu planen und mithilfe der Errichtung von Schleusen auch vollenden. Das erste was die Amerikaner aber machten, waren die Lebensumstände der Arbeiter durch Hygiene und Mückenschutz so zu verbessern, dass fast kein Arbeiter mehr am Tropenfieber starb. Als 1906 bei einer Besichtigung des Kanals US-Präsident Roosevelt einen geflochtenen, weißen Strohhut aus Ecuador trug, ging das Foto rund um die Welt und fortan waren diese Hüte nur mehr unter dem Namen „Panamahut“ bekannt. Natürlich ließen sich die Amerikaner die Kontrolle des Kanals nicht aus der Hand nehmen und legten die Regeln fest unter denen der Kanal zu benutzen war. Das führte zu jahrzehntelangen Spannungen zwischen Panama und den USA und erst in den Siebziger Jahren leitete Jimmy Carter die Übergabe des Kanals an Panama in die Wege, die erst 1999 stattfand.
Schiffe, die den Kanal durchfahren konnten, wurden fortan „Panamax“ genannt, seit wenigen Jahren, nach der Verbreiterung des Kanals, können nun auch noch größere Schiffe, die „Post-Panamax“ Schiffe den Kanal befahren. Dazu wurden an den „Eingängen“ auf beiden Seiten komplett neue Schleusensysteme gebaut und die Zufahrten in den Gatun See verbreitert und ausgebaggert. Dies konnte aber nur mit einem sehr großen Eingriff in die Natur vollendet werden. Die Zufuhr von Milliarden Liter Süßwasser, die zum Füllen der Schleusen notwendig sind, führten zur Anzapfung bisher unberührter Seen im Dschungel Panamas. Unsere Fahrt geht unter der gigantischen Brücke „Puente de las Americas“ hindurch und dann zu den Doppelkammerschleusen von Miraflores. Dies sind die älteren „Panamax“-Schleusen. Die ganz großen Containerschiffe fahren etwas weiter nördlich, parallel zur den alten Schleusen, gleich in die Dreikammerschleusen von „Cocoli“ ein. Schiffe, die im Pazifik bleiben und nur einige Container auf die Reise zum Atlantik schicken möchten, legen im Hafen von Balboa, vor den Schleusen an und laden dort Ihre Container auf die parallel zum Kanal führende Eisenbahn um.
Kurz vor der Einfahrt, wird unser Ausflugsboot an Treidelloks angebunden, die uns langsam in die 1. Schleuse, dann nach Anhebung in die 2. Kammer ziehen und dann aus der 2. Kammer in den Miraflores See entlassen. Die großen Schiffe der Post-Panama Größe, fahren nach der Anhebung in drei Kammern in einer eigenen Fahrrinne bereits auf dem richtigen Niveau, welches wir erst nach dem Miraflores See über die 2. Schleuse erreichen. Ab dort, wo nun alle Schiffe gemeinsam fahren, herrscht Einbahnregelung. Alle Schiffe dürfen von beiden Seiten am Vormittag einfahren und treffen sich im Gatun See. Wenn alle Schiffe dort aneinander vorbei sind, dürfen alle Schiffe die Einbahn zu den Ausfahrtsschleusen fortsetzen um wieder auf Meeresniveau abgesenkt zu werden.
Der Gatun See selber ist ein natürlicher See, der aber massiv aufgestaut wurde. Die vielen Inseln und die Ufer des Sees sind heute ein Nationalpark und bieten den typischen Tieren Panamas ein Refugium. Da die ursprünglich getrennten Kontinente erst relativ spät zusammenwuchsen sind die Flora und Fauna auch sehr verschieden. Die Entstehung der Arten des Nordens in Laurasia und des Südens in Gondwana sind auch heute noch in vielen Bereichen nachvollziehbar. Panama beherbergt noch eine große Anzahl von seltenen Jaguaren, tropischen Pagageienarten, Faultieren, Tapiren, etc.
In Gamboa, an der Einfahrt vom Kanal in den Gatunsee, legt unser Ausflugsboot an und unsere Reise endet mit einer Busfahrt nach Panama City. Unvergessliche Eindrücke über dieses riesige Projekt begleiten uns noch lange. Nun heißt es aber nochmals retour zur Busstation, um dort unsere Weiterreise an den Golf von Chiriqui nach Coiba zu organisieren, wo ein paar Tage entspanntes Tauchen auf uns wartet.
Euer Gerhard Rieder