ACHTUNG, FERTIG, URLAUB …
15. April 2021KAUKASUS – Teil 2
15. Juli 2021
KAUKASUS
Teil 1 - Georgien -
von Tiflis nach Jerewan
Von Kiew kommend lande ich gegen Mitternacht am Flughafen in Tbilisi (Tiflis), der Hauptstadt Georgiens. Schon beim Landeanflug fällt mir das große, orange leuchtende Gebäude einer bekannten heimischen Spedition auf. Diese ehemalige sowjetische Teilrepublik bekennt sich fast fanatisch zu Europa und möchte weder mit „russisch“ noch „asiatisch“ assoziiert werden. Auch wenn man sich oft und gerne mit Geographie beschäftigt, bleibt der fiktive Grenzverlauf zwischen Europa und Asien, zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer schwer nachvollziehbar. Meist bilden Wasserscheiden entlang eines Gebirgsrückens die natürlichen Grenzen und da ja der nördliche große Kaukasus als Grenze gesehen wird, wären eigentlich nur sehr kleine Teile Georgiens und auch Aserbaidschans in Europa. Warum allerdings Armenien noch zu Europa zählen soll, muss wohl mehr an der Kultur und der christlichen Geschichte liegen.
Der tektonische Begriff Eurasien ist für diese Gegend sicher passender und erspart zudem die Diskussion, ob nur der Elbrus oder der Mont Blanc der höchste Berg des Kontinents ist. Durch die Geschichte der jüngeren Zeit bleibt im ganzen Kaukasus Russisch die „lingua franca“, auch wenn Englisch unter den jungen Leuten immer mehr an Bedeutung gewinnt und man damit als Tourist sehr gut durch den Alltag kommt. Dies gilt allerdings nicht für die Schrift, die nur in Aserbaidschan kyrillisch ist. Mit einem Taxi lasse ich mich in die Stadt bringen, die in diesem lauen September auch nach Mitternacht noch voll belebt ist. Rund um mein Hotel, im alten jüdischen Viertel von Tiflis, sind die Gastgärten noch voll und ich genehmige mir noch ein Bier. Die Straßenbeleuchtung wirft ihren Schimmer in die Umgebung, aus der Silhouetten von alten Kirchen und Festungen hervortreten. Das weckt Erwartungen für den nächsten Tag.
Nach einer kurzen Nacht und einem schnellen Frühstück, erwarten mich ein strahlend blauer Himmel und ein grandioser Ausblick von meinem Hotel aus. Die Altstadt von Tiflis begeistert vom ersten Augenblick an. Nichts von sowjetischem Gigantismus, Plattenbauten oder ähnlichem ist im Zentrum zu sehen. Die Architektur, natürlich über Jahrhunderte mit der Geschichte gewachsen, umrahmt von mächtigen alten Bäumen in Parks und den Hügeln der Umgebung. Auffallend sind die vielen Kirchen, welche die Dominanz des über 1.700 Jahre prägenden Einflusses des georgisch-orthodoxen Glaubens aufzeigen, dem auch die Wirren der Geschichte, von den Mongolen bis zu den Sowjets, nichts anhaben konnte.
Gemütlich schlendre ich durch die Altstadt, genieße das warme, milde Wetter. Durch den hohen Kaukasus ist das Land von den im Winter eiskalten Winden des Nordens gut geschützt. Das westlich gelegene Schwarze Meer mildert das Klima nochmals. Kleine Cafés und Geschäfte laden zum Verweilen ein, alles wirkt nett und gepflegt. Nach einiger Zeit erreiche ich den Freiheitsplatz mit seinen imposanten Gebäuden. Hier besteige ich einen „hop on hop off“ Bus, der mich in zwei Stunden an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt vorbei führt. Moderne Brücken überspannen den Fluss, eine Seilbahn bringt Besucher auf einen Hügel über der Stadt, die von einer alten Festung und einer überdimensional großen Frauenstatue, der „Mutter Georgiens“ dominiert wird.
Fast in jeder ehemaligen Hauptstadt einer Sowjetrepublik gibt es diese, mit einem Schwert bestückte, heroische Figur und auch jenen Baustil mit seiner gigantisch-bombastischen Architektur, besonders bei Häusern, dem sogenannten „Stalin Barock“. Den Hügel erklimme ich nachmittags, nach einem ausgezeichneten Mittagessen mit einem Glas georgischen Rotweins, zu Fuß. Der Ausblick von hier oben entschädigt für die Mühen des Aufstiegs. Steile, schmale Gassen, in denen die Zeit stehen geblieben scheint, lotsen mich nach einer Weile hinunter in die Altstadt, wo ich am Jerusalem Platz, bei der Synagoge in der Nähe meines Hotels wieder ankomme.
Am nächsten Morgen schnappe ich mir ein Taxi und lasse mich zum Didube Bus Terminal fahren. Der Taxler ist natürlich neugierig und möchte wissen wohin meine Reise geht. Als ich ihm sage, dass ich nach Jerewan in Armenien möchte, versucht er mir sofort auszureden, dorthin mit dem Sammeltaxi zu reisen.
Viel zu gefährlich, zu unsicher und überhaupt wäre er der absolut Einzige und Beste, der mich für die Kleinigkeit von nur US$ 100,- und ein paar „Gebühren“ an der Grenze dorthin bringen würde. Dankend lehne ich ab, was er etwas missmutig zur Kenntnis nimmt. Am Busbahnhof angekommen, zerren mich schon zwei Männer aus dem Taxi und fragen mich, wohin ich möchte – zur Auswahl stehen Baku, bzw. die Grenze zu Aserbaidschan oder eben Jerewan in Armenien. Schnell habe ich mich mit einem der Männer auf die US$ 20,- für die Fahrt im Sammeltaxi nach Jerewan geeinigt, die Passage bezahlt und mir versichern lassen, dass an der Grenze dann nicht noch extra Gebühren hinzukommen. Ein Bub begleitet mich zu einem alten Toyota Hiace, wo mich sofort ein Mann in Beschlag nimmt, der sich als Igor vorstellt. Er ist Russe und möchte mit seiner Familie nach Jerewan. Diese Familie, über drei Generationen verteilt, sitzt bereits zwischen unzähligen Gepäckstücken auf den beiden Sitzreihen. Igor meint, dass es jetzt, da wir ja vollzählig sind, endlich losgehen kann und ich selbstverständlich den Platz ganz vorne, neben dem Fahrer nehmen soll. Das ist mir sehr sympathisch, da es hier am geräumigsten ist und die beste Sicht herrscht, auch wenn sich ein großer Riss quer durch die Windschutzscheibe zieht.
Nachdem noch ein paar Kartons und Verpflegung für die Russen verladen sind, geht es auf die andere Straßenseite zur Tankstelle und dann endlich raus aus der Stadt. Die Vorstädte von Tiflis sind wie erwartet eher grau und öde. Plattenbauten und Industrie dominieren hier das Bild. Aber schon bald liegt die Stadt hinter uns und wir fahren zuerst in Richtung Osten. Das Land ist hügelig und man kann die zwei Gebirgszüge des hohen und niederen Kaukasus links und rechts gut erkennen. Der fruchtbare Teil Georgiens liegt weiter im Westen, am Schwarzen Meer und der Kolchis Tiefebene – jenem sagenumwobenen Land, das die griechischen Argonauten auf der Suche nach dem Golden Vlies bereisten.
Meine russischen Mitreisenden, drei Generationen, sind recht lustige und nette Leute und mit den spärlichen Englischkenntnissen von Igor entsteht auch eine kleine Unterhaltung. Dazu kreist eine Wodkaflasche und Unmengen von Wurst, Käse, Brot und Einleggemüse ständig herum. Diplomatie ist gefragt, da ich sicher am frühen Vormittag noch keinen Wodka trinken möchte, keinen Hunger habe, aber nicht unfreundlich sein möchte. Diskret frage ich nach den Gründen ihrer Kaukasusreise und ob es denn keine Probleme zwischen Russen und Georgiern gibt. Die zwei Länder haben doch einiges an Problemen, auch militärischer Art, zu verdauen. Komplett unverständlich für Igor, dass ich das frage. Immerhin sind sie ja Sowjets oder zumindest ehemalige Sowjets, also Brüder und zudem war Genosse Stalin ebenfalls Georgier. Das verbinde doch. Ob es den keine ähnliche Bewunderung der Deutschen für den Österreicher Hitler bei uns gibt?
Die Grenzstation zu Armenien rettet mich aus dieser sehr unguten Situation, in die ich mich selbst reingeritten habe. Nun spielt sich eine klassische Szene vor mir ab, die ohne Worte, gut abgestimmt von statten geht. Vor der Grenze, auf der georgischen Seite, bleibt unser Fahrer bei einem „duty free“ stehen und kommt kurze Zeit später wieder mit zwei prall gefüllten Plastiksäcken voll mit Wodkaflaschen, Zigaretten und Sonstigem zum Auto. Wortlos legt er es bei mir am Beifahrersitz auf den Boden. Kurz darauf steigen wir aus und müssen zu Fuß durch die georgische Ausreise, wo mir ein gelangweilter Zöllner einen Stempel in den Pass knallt. Danach durch ca. 50 m eingezäunten Korridor Niemandsland zum armenischen Grenzposten. Ich sehe unseren Bus, der gerade vom georgischen Beamten gefilzt wird, wobei ihn das Gepäck hinten nicht zu interessieren scheint, sondern nur der Beifahrersitz.
Auch die Armenier sind freundlich und gelangweilt. Stempel in den Pass, keine sonstigen Fragen. Die Russen sind schon durch die Kontrollen durch, die separat von „Ausländern“ stattfinden. Draußen angekommen, müssen wir noch warten, da unser Bus noch von den Armeniern kontrolliert wird. Interessanterweise wieder nur die Beifahrertüre und nicht das Gepäck hinten.
Kaukasus - Ende Teil 1 - Georgien