KASACHSTAN
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15. Februar 2021
GRIECHENLAND
Am Peloponnes -
von griechischen Helden und Schweizer Zahnrädern
Nach einer spannenden Rundfahrt rund um den Peloponnes soll unsere Reise mit einer Zugfahrt enden, die am Golf von Korinth von der Küste ins Gebirge führt. Sie wird uns durch die wilde Vouraikos Schlucht, aber auch in die tiefsten Abgründe der jüngeren griechischen Geschichte führen.
Noch aber sind wir vollkommen im Bann der altgriechischen Geschichte, die uns am Peloponnes von Mykene, der Stadt des Troja-Heerführers König Agamemnon in der Bronzezeit, über das beeindruckende Theater von Epidaurus in der klassischen Epoche bis nach Nafplio, der ersten Hauptstadt des modernen griechischen Staates und dann über Sparta und Messini an die Westküste führt. Der Höhepunkt zweifelsohne ist aber das archaische Olympia, wo am Zusammenfluss zweier Flüsse bereits im Neolithikum eine Opferstätte
für die Götter entstand und über Jahrhunderte die Olympischen Spiele des Altertums ausgetragen wurden. Spiele, die sogar Kriege unterbrachen, an einem Platz, an dem einst mit dem großen Zeus-Tempel auch eines der sieben Weltwunder der Antike zu bestaunen war. Zwischen diesen Sehenswürdigkeiten fasziniert uns immer wieder die urtümliche, fast unberührte Landschaft des Peloponnes. Weite Kiefernwälder, atemberaubende Schluchten wie jene zwischen Sparta und Kalamata, spektakuläre Aussichten in die Berge oder ans Meer und das immer wieder aus neuen Blickwinkeln. Natürlich fehlt es auch nicht an Hainen mit den berühmten Oliven, besonders rund um Kalamata. Zu den köstlichen Oliven noch ein Gläschen guten griechischen Weins und einen frischen Fisch - so klingen die Tage in den kleinen Tavernen an der Küste perfekt aus.
Irgendwann geht aber jede Reise zu Ende und für das Finale haben wir uns die Zugfahrt von Diakopto am Golf von Korinth nach Kalafryta im Gebirge ausgesucht. Schon seit dem 19. Jhdt. überwindet eine Schmalspur-Zahnradbahn die ca. 750 Höhenmeter von der Küste durch eine Schlucht in den hübschen Gebirgsort. Seit einigen Jahren mit allerneuester Schweizer Technologie aus unserer unmittelbarer Nachbarschaft. Der mit Diesel betriebene Zug fährt auf den relativ flachen Teilen der Strecke als ganz normaler Zug, klinkt sich jedoch in den vielen steilen Teilen mit Zahnrädern, die sich unter der Mitte des Maschinenteils des Zuges liegen, in die Führungen ein. In Diakopto fahren diese Züge täglich mehrmals ab. An diesem modernen Doppelbahnhof ist auch eine Haltestelle der zweigleisigen Hauptstrecke zwischen Patras und Korinth, bzw. Athen.
Durch den Anschluss an die reguläre Bahnstrecke kommen an Wochenenden auch entsprechend viele Besucher aus den großen Städten. Die 22 km lange Fahrt führt zuerst aus dem Bahnhof über einen großen Schwemmkegel, auf dem die Stadt errichtet wurde, durch Haine voller Oliven und Zitrusfrüchten. Das Wetter und die Sicht sind grandios. Am anderen Ufer des Golfes von Korinth erkennen wir die weiten Serpentinen der Straße, die in das größte antike Heiligtum der Griechen, nach Delphi führt. Senkrecht erheben sich plötzlich die Wände der Schlucht, geformt vom Wasser aus den Bergen und ständig korrigiert durch die vielen Erdbeben der letzten Jahrtausende. Hier am tektonischen Berührungspunkt zwischen Europa und Afrika, wie auch im ganzen östlichen Mittelmeer kommt die Erde ja nicht wirklich zur Ruhe.
Auch der Golf von Korinth ist ein Resultat dieser Tätigkeit und trennte den Peloponnes vom griechischen Festland. Lediglich die sechs Kilometer breite Landenge bei Korinth verbindet den Peloponnes (fast) noch mit dem Festland. Allerdings nur fast, da ja der berühmte Kanal den Saronischen Golf und Piräus mit dem Korinthischen Golf verbindet. Diese direkte Verbindung vom Ionischen zum Ägäischen Meer spart, zumindest für kleinere Frachtschiffe, knapp 400 km. Die Bedeutung sinkt aber zunehmend, da die meisten Schiffe heutzutage einfach zu groß sind. Langsam rattert der Zug in die Schlucht ein und schon am Beginn bieten sich atemberaubende Szenen, als der Zug dicht an der Felswand, über dem Bach durch die Enge fährt. Hier und dort sind noch ein paar einsame Hütten, an denen ein paar Hirten Schafe und Ziegen betreuen.
Bald wird der Zug langsamer und wir können hören, wie die Zahnräder vor dem Beginn eines Steilstücks einrasten und uns dann weiterbewegen. Bei diesem Zug haben die Passagiere noch die Möglichkeit ihre Köpfe aus den Fenstern zu strecken, jedoch Vorsicht ist geraten, wenn der Zug durch einen der engen Tunnel fährt, nahe an einer Felswand entlang oder durch Wald und Gebüsch. Dann heißt es Köpfe blitzschnell wieder nach innen.
Obwohl offiziell verboten, laufen immer wieder Wanderer die Strecke ab. Mangels geeigneter Wanderwege auf den Schienen, was aber niemanden wirklich zu stören scheint. Sogar Schilder mit Entfernungsangaben sind angebracht. Gefährlich wird das allerdings in den Tunnels, da hier seitlich absolut kein Platz mehr für Wanderer frei ist, wenn ein Zug durchfährt.
Ca. in der Hälfte der Strecke fahren wir in eine kleine Station ein, die sich Mega Spileon nennt. Dort ist eine Ausweiche auf der die tal- und bergwärts fahrenden Züge passieren können. Aber auch als kurzer Fotostopp eignet sich die Station ideal. Gerne posieren die Schaffner mit den Touristen für den einen oder anderen Schnappschuss. Weiter geht die Fahrt, bis sich die Schlucht öffnet und in ein Hochplateau mündet. Hier sehen wir auch wieder die ersten Behausungen, meist Hütten mit Schafen und Ziegen, aber auch vereinzelte Walnuss- und Kirschplantagen. Ebenso, wie am ganzen Peloponnes, stehen überall Bienenkästen deren Bewohnerinnen die letzten Blüten der Saison besuchen. Ungefähr nach etwas mehr wie einer Stunde, fährt unser kleiner Zug in die Station von Kalafryta ein. Ein schöner kleiner Ort, der auch der Ausgangspunkt zu einem etwas höher liegenden Schigebiet mit vier Liften ist.
Gegenüber dem Bahnhof, am Beginn der Fußgängerzone, ist es aber vorbei mit der Idylle. Hier steht das Holocaustmuseum des Ortes, dass an die dunklen Tage des Dezember 1943 erinnert. Nach der stümperhaften und schließlich missglückten Kommandooperation einer deutschen Wehrmachtstruppe und deren Gefangenschaft durch die örtlichen Partisanen, scheiterten Verhandlungen zu einem Gefangenenaustausch durch einen vorzeitigen, unnötigen deutschen Luftangriff. Daraufhin wurde das gute Duzend Soldaten von den Griechen hingerichtet. Die Rache der Wehrmacht war extrem. Die Bewohner von Kalafryta wurden in der Schule eingesperrt. Alle Männer über 13 Jahre wurden getrennt, auf einen nahegelegenen Hügel gebracht und innert zwei Stunden erschoss die Wehrmacht fast 700 Leute.
Nebenbei wurde auch die Kirche des Ortes niedergebrannt. Dieser Schmerz wird wohl noch viele Generationen überdauern. Auch viele Schulklassen besuchen Kalafryta um hier die schrecklichen Ereignisse vom Dezember 1943 direkt vermittelt zu bekommen.
Wir schlendern durch die Fußgängerzone, die vollgestopft ist mit Souvenirläden, aber auch den landestypischen Mitbringseln der Region. Wir entscheiden uns für ein Glas lokalen Bienenhonigs. Nach einem guten Mittagessen nehmen wir wieder den Zug Richtung Diakopto und genießen nochmals die wunderschöne Fahrt durch die Vouraikos-Schlucht, die man jedem Besucher des Peloponnes nur empfehlen kann.
Euer Gerhard Rieder