RAPA NUI (Osterinseln)
23. September 2020PANAMA
26. Oktober 2020
TANZANIA
Ol Doinyo Lengai - der Götterberg der Massai
vom Dialog zwischen Hyänen und Zebras am Fuße des heiligen VulkansSchon seit Kindertagen fasziniert mich ein Berg in Ostafrika. Nein, es ist weniger der Kilimanjaro, noch der Mount Kenya, sondern der 2.960 m hohe Ol Doinyo Lengai am Natronsee in Tanzania. In vielen Berichten über die Tierwelt im Ostafrikanischen Grabenbruch sah ich immer wieder diesen „perfekten“ Vulkankegel, der mit einer Spitze aus Karbonatitlava so anders ist wie die Vulkane die ich kenne. Karbonatitlava fließt „nur“ mit ca. 500 Grad als dünnflüssige, dunkle Masse aus dem magmatischen Untergrund und stockt relativ rasch im Freien. Sobald sie abgekühlt ist, wird die Lava hellgrau. Es bilden sich an den Austrittsstellen der Lava nach und nach sogenannte Hornitos (Hügel/Kamine) aus denen ständig dunkle Lava fließt.
Drei Jahre zuvor, bei der Besteigung des Kilimanjaros, sehe ich den Ol
Doinyo das erste Mal aus der Ferne. Aber, „wer zu spät kommt, den bestraft die Geschichte“ – das sagte Gorbatschow schon zu Honecker, und mir geht es ähnlich. Im Jahre 2007/08 bereitet ein riesiger Ausbruch des Ol Doinyo Lengai dem einzigartigen Karbonatitdeckel ein jähes Ende und nun klafft ein riesiger, tiefer Krater an seiner Stelle.
Nach einer relativ langen Diskussion mit unserem Agenten Roman Chuwa in Arusha erklärt er sich ein Jahr vor unserer Besteigung bereit, das Ganze zu organisieren. Nur bei der geplanten Übernachtung am südlichen Kraterrand ist er absolut nicht bereit zu verhandeln. Dort, wo das einzige Waldstück den Vulkan mit der Serengeti verbindet, leben Leoparden und denen fehlt seit dem Ausbruch des Vulkans viel Wald und Wild und er meint, es ist besser die Katzen in Ruhe zu lassen.
So machen wir uns über Amsterdam auf den Flug nach Arusha-Kilimanjaro, wo wir happy sind unseren damaligen Fahrer von der Kili Besteigung – Mr. Venance - zu sehen. Venance beherrscht und dirigiert seinen Toyota Landcruiser in einer Art und Weise die physikalisch kaum möglich zu sein scheint. Ich erinnere mich an eine Stelle im Ngorongoro-Krater, als wir alle wetten, dass er aus diesem ausgetrockneten Flussbett nie mehr rauskommt. Wir haben noch viele solcher Wetten gegen Venance verloren. Leider stellen wir auch bei unserer zweiten Reise nach Arusha fest, dass unser Gepäck nicht angekommen ist. Wie sich später herausstellt, ist es wieder die Schulkreide, die bei der Durchleuchtung für Probleme sorgt.
Schulkreide hat in etwa dieselben Ausmaße wie Elefantenmunition für Großwildjäger und erweckt sofort Verdacht. Dabei dient unsere Kreide lediglich der Unterstützung einer Massai-Mädchenschule die von unserem Agenten Roman betreut wird und den stark benachteiligten Mädchen die Möglichkeit zur Grundbildung gibt. Ein sehr zäher Kampf, wie Roman immer wieder betont, den Leuten klar zu machen, dass auch Mädchen Bildung brauchen und vor allem nicht beschnitten werden dürfen. Am ersten Tag unserer Reise fahren wir entlang endloser Kaffeeplantagen in ein kleines Camp am Lake Manyara, direkt am großen Afrikanischen Grabenbruch. Der Grabenbruch ist jene Stelle, an der zwischen dem See Genezareth in Israel und dem Lake Malawi im südlichen Afrika, durch die Verschiebung tektonischer Platten,
der Kontinent auseinandergerissen wird. Die tiefsten Stellen dieses Bruches sind schon heute mit Süßwasser gefüllt und bilden die riesigen Seen Ostafrikas vom Lake Malawi bis zum Turkanasee. Hier im Camp unternehmen wir noch eine Pirschfahrt und suchen die berühmten Baumlöwen von Manyara. Nach einiger Zeit gelingt es uns auch, eine Löwin hoch in den Bäumen zu entdecken. Offensichtlich flüchten diese sonst schlechten Kletterer vor den Myriaden von Mücken auf die Bäume. Am nächsten Tag treffen dann auch endlich unsere Reisetaschen mit dem ganzen Bergutensilien und einigen medizinischen und schulischen Hilfsgüter für Roman ein. Ebenso lernen wir unseren Massai-Guide kennen, der uns auf den Ol Doinyo Lengai bringen soll.
Die Fahrt an den Natronsee bis an die kenianische Grenze ist lange, staubig und anstrengend. Stundenlanges fahren wir auf schlechten Pisten, auf denen nur ab und zu Massai Hirten oder ein Geländefahrzeug entgegenkommen. Trotzdem ist die weite Savanne mit den lichten Akazienbeständen faszinierend und vermittelt einen Eindruck der gigantischen Weite dieser Landschaft. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir endlich eine Stelle, an der der Lengai das erste Mal in voller Pracht zu sehen ist. Die davor grasenden Zebras machen den Kitsch perfekt. Auch unser Lager ist in der Nähe und besteht aus einem Massai Kral mit ein paar sehr rudimentären touristischen Einrichtungen, wie einem ummauerten Loch als Toilette und einem Kübel Wasser als Dusche. Ab und zu verirren sich Touristen hierher um die Flamingo Kolonien am Natronsee zu besuchen, aber auch eine einfache Piste in der Nähe verbindet hier Kenia mit Tanzania und bringt ab und zu den einen oder anderen Weltenbummler vorbei. Auch wir sollten später noch einen Landrover treffen, der von London bis Kapstadt unterwegs war.
Im Camp weist man uns einen Zeltplatz zu, wo wir unser Zelt aufstellen und die Sachen für den nächsten Tag richten können. Wir sollen schon um 23 Uhr wieder aufstehen, da die Tour sehr früh losgeht. Nachdem es in den Tropen schon früh und schnell dunkel wird, bleibt uns nicht viel Zeit unser Camp genauer unter die Lupe zu nehmen. Lediglich eine schnelle „Dusche“ bevor es zum Abendessen geht. Wie schon beim Kilimanjaro bewundern wir auch dieses Mal, mit wie wenig man ein schmackhaftes Mahl zubereiten kann.
Die Nacht ist kurz und was uns auffällt ist ein ständiges hin und her zwischen zwei Geräuschen, die an Bellen oder Wiehern erinnern. Es muss aber außerhalb unserer Dornenumkränzung sein, die das Lager umgibt. Noch vor Mitternacht kriechen wir aus den Schlafsäcken, essen eine Kleinigkeit, dazu
eine Tasse Tee bevor Venance, unser Massaiguide, noch ein Massai aus dem Dorf und wir uns mit dem Landcruiser ein paar Kilometer zum Lengai auf den Weg machen. Weg gibt es keinen, man fährt durch und über alte Lavaströme und Sandbetten die in der Regenzeit mit Wasser gefüllt sind. Erst als es mit dem Geländewagen gar nicht mehr geht, steigen wir aus und von nun an geht es zu Fuß weiter. Das Ziel ist, bei Sonnenaufgang am Kraterrand zu sein. Sie Szenerie ist atemberaubend. Obwohl der Mond nur eine schmale Sichel bildet, ist es sehr hell. Das Sternenlicht und eine strahlende Milchstraße geben uns genug Licht um den Berg ganz klar vor uns zu sehen. Zuerst sind wir etwas besorgt, da dieser Vulkan, jetzt wo wir so direkt an seinem Fuß stehen, doch sehr steil ist und wir in direkter Linie hinauf klettern.
Unsere Stirnlampen sind überflüssig, da das Zentrum unserer Galaxie genügend Licht spendet. So machen wir uns langsam aber stetig auf den Weg nach oben. Wir folgen unserem Massaiguide, ohne den wir den Weg wohl nie finden würden. Wild zerrissen und steil präsentiert sich der Bergrücken. Des Öfteren müssen wir die Hände zur Hilfe nehmen. Die Luft ist warm und es weht ein relativ starker Wind. Ab und zu bleiben wir stehen, lassen den Blick bis zum Horizont streifen und sehen absolut kein künstliches Licht. Die Weiten der Serengeti sind bis an den Horizont gut zu erkennen. Wir kommen uns unendlich klein und unbedeutend vor. Je höher wir kommen, desto kühler wird es und der Schwefelgeruch aus dem vielen Fumarolen wird intensiver, manchmal sogar eklig. Kurz vor der Dämmerung, nach ca. vier Stunden Aufstieg,
sind wir kurz unter dem Kraterrand. Unsere zwei stolzen Massais frieren und kauern sich in ihre dünnen Decken gehüllt in eine Felsnische. Die Temperatur ist jetzt knapp über dem Gefrierpunkt, der Wind stark und wir verteilen alle unsere übrigen Textilien die wir mithaben an die zwei Burschen. Eine kleine Stärkung, eine kleine Zeremonie unserer Krieger zu Ehren ihres Gottes Lengai und los geht es auf den Kraterrand. Statt des ebenen Karbonatitdeckels, geht es hinter dem Kraterrand nun fast hundert Meter senkrecht hinunter. Am Kraterboden erkennt man dampfende Fumarolen, die noch vom letzten Ausbruch aktiv sind. Auch bilden sich dort schon wieder die ersten Hornitos aus denen Magma
austritt und als graue Lava erstarrt. Und wer weiß, in ein paar Jahrzehnten kann der Krater wieder randvoll sein. Sofern er nicht vorher schon wieder durch einen Ausbruch geleert wird. Wir genießen einen perfekten Sonnenaufgang, den Blick in den Krater, aber vor allem in die weite Landschaft der Steppen Ostafrikas und des Natronsees. Die Eruptionen des Vulkans sind vermutlich dafür mitverantwortlich, dass er von den Massai als „Sitz des Gottes Lengai“ gesehen wird. Bei der großen Anzahl an hohen Bergen und auch Vulkanen in Ostafrika keineswegs selbstverständlich. Die Massai wissen genau, dass die Ausbrüche des Lengai zwar kurzfristig Verwüstung und Staub bringen, mittelfristig aber deren Weiden und auch die ganze Serengeti mit Mineralien und Nährstoffen versorgen. Ohne diese wiederkehrenden Eruptionen wäre ein Leben in dieser Fülle kaum vorstellbar.
Unvorstellbare 1,5 Millionen Gnus und Zebras wandern das ganze Jahr über im Zyklus des Regens im Uhrzeigersinn durch die Serengeti um zwischen Dezember und Februar im Süden dieser Grassavanne ihre Jungen zur Welt zu bringen. Ohne ausreichend Gras auf fruchtbaren Böden wäre das nicht möglich. All die anderen Tiere wie Großkatzen, Hyänen, Elefanten, Giraffen, Nashörner, etc. schwemmen auch eine Vielzahl von Touristen ins Land, an denen sowohl Kenia wie auch Tanzania gut verdienen. Nun steht der steile Abstieg bevor, der zwar nicht schwer ist, aber die Mischung aus Lavasand und Karbonatit bildet eine lehmartige, schmierige Grundlage, die nicht nur unser Schuhprofil bald auffüllt, sondern uns auch relativ oft ausrutschen lässt. Nach langen, staubigen Kilometern sehen wir endlich Venance mit seinem Landcruiser an der Stelle, wo wir aufgebrochen sind. Zufrieden,
voller Dreck und müde erreichen wir bald das Lager. Nun haben wir auch das erste Mal die Gelegenheit uns in Ruhe im Lager der Massai umzusehen. Es ist nur eine Art Nebenlager, das nur belegt ist, wenn die Ziegen und Schafe genügend Gras finden. Da aber doch ab und zu Touristen hierher finden, ist meist irgendwer hier. Ein provisorischer Zaun und jede Menge stacheliges Akaziengebüsch verhindern, dass ungewollte tierische Besucher eindringen. Der Häuptling fragt uns, ob wir letzte Nacht nicht die Geräusche gehört hätten. Doch haben wir. Angeblich war das der „Dialog“ einer Zebrafamilie und eines Hyänenrudels. Eine Zebrastute hat in der Nacht in der Nähe ein Fohlen bekommen, gut bewacht vom Rest der Herde. Das Hyänenrudel wartete, bis alles vorbei war und machte sich dann über die Hinterlassenschaften der Geburt her. Das ist schmerzloser als ein Fußtritt von einem Zebrahengst.
Nach einem ca. zweistündigen Schlaf im Zelt, weckt uns ein Massai-Boy zum Lunch. Danach laufen wir mit unseren Guides ca. eine Stunde in Richtung der felsigen Hügel, aus denen ein rauschender Bach austritt. Wir folgen dem Bach in eine enge Schlucht, teilweise durch das Wasser, teilweise kraxelnd über die Felsen am Bachbettrand entlang und sind umso erstaunter, als sich die Schlucht am Ende zu einem offenen Platz mit ca. 50 Meter Durchmesser öffnet. Seitlich ergießt sich ein Wasserfall in den Bach und der Schwemmkegel ist wunderbar grün. Dort grasen in aller Ruhe ca. 20 Rindern. Bewacht werden die Rinder von ein paar Buben. Hier sind die Rinder sicher vor Raubtieren, haben genügend zu Fressen und zu Trinken. Bei unserer Rückkehr sitzen wir im Lager unter den Akazien und beobachten die vielen bunten Vögel, die es hier gibt. Nach dem Essen und der frühen
Dunkelheit kriechen wir müde in den Schlafsack und lassen den Tag, jeder für sich, Revue passieren. Auch am nächsten Morgen geht es sehr früh auf, es ist noch dämmerig und die Sonne erst kurz vor dem Aufgehen. Wir fahren die paar Kilometer zum Natronsee und sind beeindruckt von den tausenden von Flamingos, die aus der alkalischen Brühe kleine Krebstiere rausfiltern. Die Flamingos sind von unserer Präsenz relativ unbeeindruckt, aber sehr nahe kommt man ohnehin nicht, da die Ufer sehr weich und morastig sind. Dementsprechend schauen auch unsere Schuhe und Hosen aus. Aber irgendwann heißt es auch hier Abschied nehmen, da wir noch heute nach Arusha zurück müssen, um am Abend unseren Flug nach Zanzibar zu erwischen. Nach all den faszinierenden Eindrücken der Savanne freuen wir uns
nun auf die berühmte Stonetown von Zanzibar, die arabisch angehauchte Kultur und schöne weiße Strände und Riffe zum Tauchen. Aber das ist ein andere Geschichte ……..
Euer Gerhard Rieder