Nach der Ankunft in Seattle im Bundesstaat Washington, nicht zu verwechseln mit der Bundeshauptstadt Washington im District of Columbia (D.C.) an der Ostküste, übernehmen wir unseren Mietwagen. Müde vom langen Flug, steigen wir aber gleich in einem Motel am Flughafen ab und fahren mit der „Seattle light rail“, einer Mischung aus Zug und Straßenbahn, direkt in die Stadt. Als erstes geht es zum berühmten Fischmarkt mit seinen für allerlei Späßen aufgelegten Händlern, bevor wir das Wahrzeichen der Stadt, die „Seattle space needle“ besuchen.
Dieser Turm, das Symbol der Weltausstellung von 1962, erobern wir mit dem Lift und werden mit einem atemberaubenden Blick über die Stadt, den Puget Sound, nach Süden bis zum mächtigen Vulkan des Mount Rainier, nach Norden bis weit nach Kanada und zum Mount Baker und nach Westen bis zum Olympic National Park belohnt. Natürlich hat sich die Umgebung von Seattle seit 1962 weiter entwickelt und neben den berühmten Flugzeugwerken von Boeing zeugen die Zentralen weltbekannter Firmen wie Microsoft, Amazon und Starbucks vom liberalen Gründergeist der Westküste.
Uns zieht es aber raus aus der Stadt, hinein ins Gebirge zu den hohen Vulkanen. Leider müssen wir den berühmten Olympic Nationalpark auf einer Halbinsel im Pazifik links liegen lassen, da wir mit dem berühmtesten Vulkan der USA, außerhalb Hawaiis, ein Rendezvous haben. Der Mount St. Helens, am Südende des Bundesstaates flog im Frühjahr 1980 in die Luft, hinterließ tausende Quadratkilometer Zerstörung und leider kamen dabei auch 50 Menschen ums Leben.
Neue Seen bildeten sich hinter den aufgetürmten Baumleichen. Nachdem die tote Schwefelbrühe durch Schnee, Schmelzwasser und Regen wieder klar wurde, brachten die einfliegenden Vögel Fischlaich im Gefieder mit und so gibt es dort jetzt sogar wieder Fische.
Am Beeindruckendsten ist aber der Anblick des Spirit Lake, in dem heute noch zehntausende von Baumstämmen auf der Seeoberfläche schwimmen, deren Verrottung wohl noch Jahrzehnte dauern wird. Unser Heli nähert sich dem Berg, der an der nordwestlichen Kraterseite vollkommen auseinandergerissen wurde. Wie in einem griechisch-römischen Theater türmen sich dahinter die Kraterwände, während in der Mitte der neue, aktive Lavadom in die Höhe wächst.
Der nächste Tag bringt einen Abstecher an die Küste. Kurz nachdem wir wieder auf die Interstate 5 einbiegen, überqueren wir den Columbia River bei Portland, der Hauptstadt Oregons. Oregon, einer der Sehnsuchtsstaaten der Neuen Welt für Aussiedler, gesegnet mit allem was die Natur zu bieten hat. Besonders die Pazifikküste ist vom Feinsten. Hier hat sich eine der größten Dünenlandschaften Amerikas gebildet, hinter der unermessliche Nadelwälder beginnen. Die Strände sind endlos, dazwischen immer wieder Felsen mit Ansammlungen von Seelöwen. Die Fahrt entlang der Küste nimmt unseren ganzen Tag ein, bevor wir spät nachmittags in Newport, einem pittoresken Fischerstädtchen übernachten.
Am nächsten Morgen geht es entlang der berühmten Dünen nach Süden, bevor wir scharf nach Osten ins Landesinnere abbiegen um zum nächsten Highlight zu kommen. Der Craterlake – einer der größten Vulkankrater der USA, mit dem tiefsten See der USA. Schon am Weg zum Vulkan, der sich über mehrere Stufen verschiedener Hochplateaus in die Höhe schraubt, werden die dramatischen Ereignisse vor knapp 8.000 Jahren auf informativen Tafeln beschrieben und erklärt. Gegen diese Eruption muss sich der Ausbruch des Mount St. Helens wie ein lustiger Kindergeburtstag abgespielt haben. Ein Vulkan namens Mount Mazama explodierte und stürzte von 3.500 m auf heute 1.900 m in sich zusammen. Je höher sich die Straße in die Höhe schraubt, desto spärlicher wird die Vegetation.
Der See selber ist bei unserem Besuch nur im Westen und Süden zu umfahren. Die Straße im Norden und Osten ist im Juni noch durch meterhohe Schneeverfrachtungen gesperrt. Der Ausblick am Kraterrand über den See ist atemberaubend schön und man kann sich gar nicht satt sehen. Tiefblaues Wasser, der Schnee am Krater, dunkelgrüne Nadelwälder und ein strahlend blauer Himmel. Der See ist fast 600 m tief, in der Nähe des westlichen Ufers ragt eine Insel, ein später entstandener Krater, aus dem Wasser. Die steilen Kraterwände lassen die 53 km² kleiner scheinen wie sie sind. Obwohl der See keinen Wasseraustausch hat, nur durch Schnee und Regen gespeist wird, ist sein Wasser absolut rein und sauber. Eine Entnahme des Wassers strengstens verboten.
Nachdem wir den Hauptkamm der Cascades nun im Osten wieder hinunterfahren, merken wir, wie die Wälder sehr schnell lichter werden und eine Prärielandschaft beginnt. Die ganzen Wolken, die von den Westwinden vom Pazifik her verfrachtet werden, laden ihr Wasser an den bis zu 4.000 Meter hohen Bergen ab, sodass zwischen den Cascades und den mehrere hundert Kilometern entfernten Rocky Mountains selbst im geographisch milden Norden Steppen und sogar Halbwüsten und Wüsten zu finden sind.
Das ist auch die Landschaft, die uns auf unserer weiteren Reise bis Salt Lake City in Utah begleiten wird, bevor uns der Yellowstone Nationalpark nochmals die ganze Fülle an Schönheit dieses Landes präsentieren wird. Eines Landes, dessen Schönheiten zu bewundern, wohl ein ganzes Menschenleben braucht.